Aus dem Blond Magazine 9/99

R A V E O N
Wenn in Deutschland mehr als drei Leute ein Hobby teilen, gründen Sie einen Verein. So auch die "Parkplatzraver". Oberstes Ziel: Chillen, bis der Parkplatzwächter kommt...

Neuwagen gehen gar nicht, soviel vorab. Die Mitglieder des Vereins "Parkplatzraver e.V." halten sich an folgende Regeln:1. Immer in der ersten Reihe parken, mit Sicht zum Eingang. 2. Niemand verläßt das Auto, es sei denn, er muß pinkeln. 3. Das Handy ist unerläßlich zum Ordern von Nahrung, Alkohol und Zigaretten... 4. Alle Karren müssen exakt nebeneinander stehen, damit man bei heruntergekurbelten Fenstern mit allen Insassen kommunizieren kann, selbst wenn sie acht Amischlittenlängen voneinander entfernt stehen. 5. Wer mit dem Taxi oder Bus nach Hause fährt, fliegt raus. Auch wenn es zwei Tage dauert, bis man wieder nüchtern ist: Das Auto wird auf keinen Fall allein gelassen.
Anfang der 90er standen Markus Krahn und seine Kumpels jedes Wochenende vor der Disco "Omega" in Dürverden. Ab drei Uhr morgens war der Eintritt frei, und so lange saßen sie in ihren Autos und haben gewartet. Hatten den Kofferraum mit Dosenbier vollgeladen, ihre Musik aufgedreht und den Eingangsbereich der Disco voll im Visier. So konnten die Jungs lässig die Bräute abchecken und Bekannte heranwinken. Irgendwann merkten sie dann, daß in ihren Kisten die bessere Party lief. Das war die Geburtsstunde der Parkplatzraver. Im Laufe der Jahre trafen sie auf immer mehr Leute, die genauso dachten. Also haben Markus und seine Freunde ihr Hobby kultiviert. Und sind seit neuestem sogar ein eingetragener Verein. "Parkplatzraver e.V."

Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, daß in Deutschland jeder eingetragene Verein einen Gemeinnutz erfüllen muß. Die Akte mit der Aufschrift "Verein zur Förderung der Parkplatzkultur" lag jedenfalls ein Jahr auf dem Bremer Amt. Wahrscheinlich wanderte sie von einem Schreibtisch zum anderen, bis irgendein Beamter keine Lust mehr hatte, über Sinn und Zweck nachzudenken, und seinen Stempel draufknallte. "Aktivitäten, Kommunikation, Bildung" steht auf den offiziellen Stickern, die sich jedes Mitglied auf die Windschutzscheibe kleben kann. Im Klartext heißt das: amtlich abfeiern. Die Anhänger trifft man mittlerweile auf Raststätten, vor Großraum-Discos, bei Goa-Partys oder Open-Air-Konzerten. "Überall, wo Licht, Musik und Leute sind", sagen die Mitbegründer Helge Thomsen und Michael Buss, "aber immer in der ersten Reihe." Der natürliche Feind der Parkplatzraver sind Leute, die bei Events wichtig mit der Taschenlampe herumfuchteln und Autos einweisen wollen. Die haben wenig Verständnis dafür, wenn sich jemand direkt vor den Eingang stellt und erklärt:"Da kommen noch sechs bis acht andere Autos, die parken neben uns." Vor der Disco "Future" in Hannover ist zum Beispiel ein Chefparkplatz, von dem aus man den optimalen Überblick hat. Der ist allerdings auch mit zugehörigem Chef-Nummernschild ausgestattet."Ein Kollege von uns hat sich das Schild einfach nachgebaut und vor sein eigenes geschraubt", erzählt Michael, "seitdem hat er keine Probleme mehr."

Feind Nummer zwei sind Menschen, die den Kopf ins Auto stecken und fragen: "Ey, was verbraucht Dein Wagen eigentlich an Sprit?" Fremde sollten sich lieber gleich auf den Rücksitz schmeißen und im Idealfall noch ein paar Bier und hübsche Mädchen mitbringen. "Man lernt ständig neue Leute kennen, kann seine eigenen Tapes hören und über alles mögliche philosophieren", sagt Helge. Genug Alkohol ist auch immer am Start; wer müde wird, schläft eine Runde. Da die Parkplatzraver nicht um die Wette fahren oder das schnittigste Chassis prämieren wollen, stellen sie ihre eigenen Rekorde auf. Einer hat zum Beispiel 27 Stunden am Stück hinterm Lenkrad gesessen-ohne Pinkelpause. Manchmal machen die Profi-Parker auch vier Tage durch, postieren ihre Kisten nur gelegentlich um. Da stehen sie dann in einer Reihe, aus den Fenstern wabern Qualmschwaden, und laute Drum«n«Bass Beats hämmern in die Nacht. Wenn die Sonne aufgeht, legen die Jungs auch mal ein altes Rock«n«Roll Tape ein. Und dann träumen sie von Amerika, dem Land mit den meisten Parkplätzen der Welt. Am Morgen danach liegen meist 40 bis 50 zerknüllte Bierdosen auf den Sitzen verteilt, der Aschenbecher quillt über, und es stinkt nach kaltem Rauch. Der erste Weg führt dann an die nächste Tanke: Dort, wo Familienväter ihren VW Passat auf Hochglanz polieren, fliegt der Müll aus den Partykreuzern, und dann werden sie schnell wieder aufgeladen. Für die nächste Nacht.
     
 
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