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Keine
Butterfahrt
Noch mußte ich mich mit meinem Fahrlehrer abquälen und mit der "Zehn-nach-Zehn"-Lenkradhaltung
bei Tempo 50 durch die City poltern. Mir war damals schon klar, daß ich bei Erhalt der rosa Lizenz sofort
die Reifen in den Teer hauen mußte. Mein Vater wollte mir deutlich machen, daß es erstmal reicht, einen
alten Golf zu kaufen, den man dann ruhig zu Schrott fahren könnte, aber irgendwie hatte ich das verlangen
nach etwas besonderem. Etwas altes, was einen Touch von Ami-Schlitten hat. Damals war ich auf dem Gebiet der alten
Karren wenig versiert, na ja, gleich null, quasi. Aber ich hatte einen Vorteil: Ich habe da mal mit jemandem in
einer Band gespielt, der einen alten Granada fährt. Ich rief ihn an und sagte zu ihm:"Sieh zu, daß
ich bald so einen Schlitten unter meinen Arsch krieg, bevor mein Alter mit Golf ankommt!" Wir haben uns einige
Leichen angeguckt und haben schnell gemerkt, daß der Knudsen Taunus eher zu mir paßt. Und da standen
wir auch schon vor einem. Irgendwo in Harburg bei «nem Typen mit Schlangenleder-Boots. Es war dunkel und
ich habe nicht viel von der Karre erkennen können. Ich stieg ein und stellte fest, das vier Jahre unter einem
Baum ihren Tribut forderten. Es roch nach Moder und Spinnen gab es auch, aber die Zeit drängte. Auf den Trailer
und ab in die Schraubehalle. Ich konnte es noch nicht fassen: Mein eigenes Auto, mein erster Taunus!
Jetzt ging die Arbeit los. Aus den spekulierten zwei Wochen Reparaturarbeit wurden fünf
Monate Restaurationsmaloche. Neue Radläufe, Ecken geschweißt, Bremsen und
Lichtmaschine überholt und viel Spachtelarbeit fürs optische Wohlbefinden. Außerdem mußte
fast das ganze Interieur eingebaut werden.
Irgendwann wars dann soweit für die erste Fahrt. Die Zündung funktionierte mittelmäßig,
aber der 2 liter V6 versprach mir eine Zeit, die sich wohl lange in meinen
Kopf einprägen wird. Da ging es auch schon los:
Auf einer stark befahrenden Kreuzung geht der Hobel aus. Nix geht mehr! LiMa und Batterie.
tot. Also rüberschieben zu Pit Stop. Nicht das mir mal einer sagen konnte, daß das
Lenkradschloss einrastet, wenn man den Schlüssel raus zieht... Die bei Pit Stop konnten mir
nicht helfen, weil sonst ihr Bier warm wird. Super, Jungs! Ich stand auf einem
kostenpflichtigem Parkplatz und konnte nicht weg. (Wo sind die Parkplatzraver, wenn man sie
wirklich braucht?) Aber auch das habe ich Überstanden.
Mittlerweile hat sich aus dieser ganzen Sache ein Hobby und pure Leidenshaft entwickelt, die
ich niemals missen möchte. Ich höre gerne zu, wenn mir der Wagen eine neue Geschichte aus
seinem langen und harten Leben erzählt und bedanke mich, indem ich ein Rock n Roll Tape
aus dem Fußraum hole und es in mein altes Tape-Deck schiebe. Ah, es läuft RATMs
"Bombtrack". Den Schalthebel in Position 3 und ab über die tiefgelbe Ampel...
Auch, wenn der OldBoy mit nur 140 Über die Autobahn schwimmt und der Scheibenwischer
kaum gegen die Fluten aus der Luft an kommt, gibt mir der Wagen ein Gefühl, was mir
kein fabrikneuer Audi A8 jemals geben kann: Das Gefühl von Abenteuer und halbstarker
Rebellion. Wenn ich mit Carrie über die Landstraße cruise und die Sonne meinen linken Arm
bräunt, weil er bis zum Anschlag aus dem Fenster hängt, dann weiß ich, daß ich jetzt meinen
Traum erfüllt habe und mir dieses Feeling jetzt keiner mehr nehmen kann. Aber ich weiß auch
ganz genau, daß ich niemals diesen Schlitten ohne Hilfe von zwei Typen zur Reinkarnation
verhelfen konnte. Hiermit bedanke ich mich bei Karsten H. und bei Helge Th., der mich heute
noch supported und mir die Schraubehalle für weitere Experimente zur Verfügung stellt.
Man hat mich oft gefragt, ob man mit 20 Jahren und einem Minimal-Beruf überhaupt so einen
Spritschlucker finanzieren kann, ohne von Papi unterstützt zu werden. Ja, man kann. Mit der
Antwort kann man die Leute eh nicht zufrieden stellen, aber es gibt wichtigeres, als sich über
Verbrauch und teure Unterhaltung aufzuregen. Die Unterhaltung gibt es sowieso gratis mit
dem Schlitten. Wenn ich Sprit sparen will, dann fahre ich mit der U-Bahn...
Aber, bevor ich das tue, pack ich lieber die Karre mit Leuten und Bier voll und fahre
dahin, wo was los ist. Dann wird vor der Tür geparkt, Fenster runter, Musik rauf und die
Autos sind die obligatorische Tanzfläche. Da können sich von mir aus auch acht Chicks auf die
Haube legen und ihre Caipirinhas verschütten, diese Atmosphäre kann keine Großraumdisse
nachmachen. Jeder ist willkommen und keiner muß Eintritt blechen. Man hat immer einen
Sitzplatz und die Lautstärke ist individuell auf jedes Gehör anpassbar.
Fazit ist, daß jeder seinen Geschmack hat und auch dahinter stehen sollte. Manche stehen nunmal auf teure
SLKs. Andere holen sich lieber einen Buckel-Volvo. Macht was ihr wollt,
aber wenn ihr euch ein Musclecar holt, n Sixpack montiert aber keine Rennen
fahrt, weil die Straßen zu schmal sind und unter der Woche mit nem Twingo einkaufen fahrt,
weil wegen Parkplatzsuche und so, dann habt ihr irgendwie irgendwas nicht verstanden. Ich
lebe mit und in meinem Wagen und heul nicht, wenn ich mir beim einparken den Lack
zerkratze. Das kann passieren und macht den Schlitten nicht gleich fahruntauglich.
paracuda, Hamburg |